Die Runde ist unterbrochen, die Probleme im Handball aber bleiben

Bericht der Main-Post vom 24.10. 20, von Natalie Greß und Uli Sommerkorn

Am Mittwoch hat der Bayerische Handball-Verband die Notbremse gezogen und den Spielbetrieb in seinem Zuständigkeitsbereich für die kommenden drei Wochenenden ausgesetzt. Vorangegangen waren seit der Wiederaufnahme des Rundenbetriebs Anfang des Monats haufenweise durch Corona bedingte Spielabsagen und bei zahlreichen Klubs auch die Aussetzung des Trainings nach Infektionsfällen. Wie sie durch die Corona-Zeit kommen wollen, das wurde zuletzt immer deutlicher, darüber herrscht unter den Klubs keine Einigkeit.

Ein Beispiel, welche Schwierigkeiten ein Corona-Fall aufwerfen kann, geben die männlichen Nachwuchsteams der DJK Rimpar. “Der Vater eines Nachwuchsspielers rief mich an: Sein Sohn wurde positiv auf Corona getestet”, schreibt Abteilungsleiter Bastian Krenz in einem am Montag auf der Vereinswebseite veröffentlichten Statement über ein Telefonat am Samstag vergangener Woche.

Der Fall steht exemplarisch für das, womit sich Vereine im Amateur- und Jugendbereich derzeit herumschlagen müssen. “Die Verantwortung, die dabei im Moment auf uns lastet, die richtige Entscheidung zu treffen, ist enorm”, sagt Krenz auch im Gespräch mit dieser Redaktion und fügt hinzu: “Ich sehe nicht, dass die Stimme der Vereine, die sich Sorgen machen, gehört wird.” 

Wie der Abteilungsleiter am Beispiel des Spielers schildert, zog der Corona-Fall erst mal “einen Rattenschwanz an Telefonaten” nach sich. Kontaktpersonen mussten ausfindig gemacht, Mitspieler, Eltern und Trainer informiert werden, ebenso die Spielleitung. Krenz sei eineinhalb Tage damit beschäftigt gewesen.

Um nicht die Verantwortung für mögliche weitere Ansteckungen zu tragen, wurden alle, die im Trainingsbetrieb Kontakt mit dem infizierten Spieler hatten, vorsichtshalber zum Testen geschickt und die Übungsstunden ausgesetzt. “Es gab noch einen weiteren positiven Fall, der war aber unproblematisch”, sagt Krenz. Deshalb hätten am Donnerstag und Freitag die Jugendteams wieder das Training aufgenommen

“An dieser Stelle müssen wir uns auch die Frage stellen, wie dieser Weg so weiter zu bestreiten ist”, schreibt Krenz – und verdeutlicht, wie die Krise einen geordneten Betrieb nahezu unmöglich macht. Bei der DJK seien vor der Unterbrechung mehr Spiele ausgefallen als stattgefunden hätten, er habe schon jetzt mehr Verlegungen als vernünftige Ausweichtermine vorhanden seien: “Es ist utopisch, den angesetzten Spielplan bis zum Ende der Saison durchzubekommen.”

Der Abteilungsleiter, der selbst viermal in der Woche als Trainer in der Halle steht, betont, er sei “weder Hobby-Virologe noch Hobby-Ethikrat”. Bei aller Liebe zum Handball und dem Wunsch nach Normalität stellte er sich vor der Unterbrechung nur die gleichen Fragen, die sich viele Ehrenamtliche mit Verantwortung im Verein im Moment stellen: “Können wir unter diesen Umständen spielen?” Krenz war mehr als skeptisch.

Waldbüttelbrunn tritt auswärts nur mit sieben Feldspielern an

Manche Spieler haben diese Frage inzwischen für sich selbst beantwortet: mit nein, indem sie dem Trainings- und Spielbetrieb fernbleiben. Aus Angst vor einer Infektion und aus eigenem Entschluss oder weil es der Arbeitgeber von ihnen fordert.

So wie bei den Akteuren des Bayernligisten DJK Waldbüttelbrunn. Der war am Samstag mit nur sieben Feldspielern zum Auswärtsspiel zu HT München nach Unterhaching gefahren. Es fehlte eine halbe Mannschaft. Dem Waldbüttelbrunner Wunsch, das Spiel wegen der hohen Inzidenzwerte im Landkreis München zu verlegen, hätten weder der Gegner noch die Spielleitung Rechnung getragen, berichtet Waldbüttelbrunns Sportvorstand Winfried Körner.

“Wir haben es den Spielern freigestellt, ob sie mitfahren”, so Körner. Einige Handballer hätten auf Empfehlung ihrer Arbeitgeber abgesagt, ein weiterer, weil er seine schwangere Lebenspartnerin nicht mit einer möglichen Infektion belasten wollte. Körner sagt mit Blick auf die derzeit unterbrochene Runde und das Infektionsgeschehen: “Wenn nicht abgebrochen wird, müssen wir uns irgendwie durchwursteln.”

Ein Verein aus Mittelfranken hat Konsequenzen gezogen: Der TSV Roßtal hat bereits vor Saisonstart nicht nur sein Männerteam aus der Bayernliga, sondern auch alle anderen Mannschaften vom Spielbetrieb abgemeldet. Erst zehn Tage vor Rundenbeginn sei der Verein über die Hygienerichtlinien informiert worden. Und diese seien von Ehrenamtlichen nicht seriös umzusetzen, schreiben die Roßtaler auf ihrer Facebookseite. Sie führen auch rechtliche Bedenken an, dass ehrenamtlich Tätige nicht vor möglichen Klagen geschützt seien.

Er habe von anderen Vereinen viel Zuspruch für diesen Schritt erhalten, berichtet Roßtals Handball-Abteilungsleiter Gernot Winkler dieser Redaktion. Er ergänzt aber: “Wir hatten gehofft, dass andere Vereine folgen würden.” Doch das sei bisher nicht in nennenswertem Maß geschehen.

mmerhin, erklärt Winkler, sei seine Handballabteilung nicht in ihrer Substanz bedroht: “Bei den Frauen hatten wir keine Abgänge, bei den Männern waren es drei Leute, die spielen wollten, aber im nächsten Jahr zurückkommen wollen.” Mehr Abgänge gebe es bei den Jugendteams, hier wüssten die Roßtaler allerdings nicht, wer zurückkehren wird. “Wir hätten mehr Zeit gebraucht. Unsere Vorstellung wäre gewesen, eine freie Runde zu spielen, in der man ohne große Probleme absagen kann”, sagt der Roßtaler Abteilungsleiter.

Bastian Krenz wirft die Fragen auf, die sich übergreifend in allen Hallensportarten nun im Amateur- und Jugendbereich stellen –  angesichts der Vielzahl an Vereinen, die vor der Situation kapitulieren müssen, angesichts von Mannschaften, die zurückgezogen werden, und im Hinblick auf all die Spiele, die ausfallen: “Wie geht es weiter? Was ist die Strategie für die kommenden Wochen?”