mB: Von Barcelona aus: Handballer trainieren per Videokonferenz
So berichtete Carolin Münzel von der Main-Post
Warum die Teenager dafür vor 6.30 Uhr aufstehen ?
Wenn Jugendliche, die aufgrund der Corona-Pandemie gerade nicht in die Schule müssen, freiwillig schon vor 6.30 Uhr aufstehen, dann muss etwas Besonderes geboten sein. Dass es sich dabei um ein Handball-Training per Video-Plattform handelt, wäre vielen wohl nicht in den Sinn gekommen. Doch tatsächlich findet sich zwei- bis dreimal pro Woche gut die Hälfte der B-Jugend-Mannschaft der DJK Waldbüttelbrunn ein, um unter dem Motto “Breakfast Club” (zu Deutsch: Frühstücks-Klub) mit Till Heeg zu trainieren.
Der 40-Jährige wuchs in der Gemeinde im Landkreis Würzburg auf, lebt inzwischen aber mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Barcelona. Zwischen dem kleinen Ort in Unterfranken und der Großstadt in der spanischen Region Katalonien liegen rund 1300 Kilometer und ein spannender Lebensweg. “Mein Weg ist bestimmt nicht alltäglich, einfach weil ich schon früh Lehrer getroffen habe, die mich inspiriert haben”, erklärt Heeg auf Nachfrage per E-Mail.
Mit fünf Jahren begann er mit dem Handball spielen, durchlief alle Jugendmannschaften von den Minis bis zu den A-Junioren und wurde schließlich zum Teil der ersten Mannschaft und zum Trainer für jüngere Sportler. Unter anderem coachte er Jonathan Hansen, der inzwischen die B-Junioren der so genannten “Sumpfler” anführt und sich just in der Corona-Krise an seinen alten Lehrer erinnerte. “Er ergänzt die Athletik-Einheiten für die Jungs mit einem Programm, das ich so nicht anbieten könnte”, sagt der 22-Jährige Lehramtsstudent. Bei den Übungseinheiten, die über die Videotelefonie-Plattform Zoom stattfinden und eine somit ein virtuelles Treffen sind, geht es vor allem um Atmung und Körperkontrolle. Gerne lässt Heeg Elemente aus dem Yoga mit einfließen, seiner Leidenschaft mit der er und seine Frau inzwischen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Der gebürtige Würzburger begann früh damit, die Welt zu bereisen – wollte diese und sich selbst verstehen lernen: “Mich selbst als kleines Teil des großen Ganzen zu finden, war und ist der Antrieb.” Über mehrere Jahre begleitete er einen Meister der Thai-Yoga-Massage und bildete sich in Thailand, Indien sowie verschiedenen europäischen Ländern fort. Inzwischen bietet er nach eigenen Aussagen weltweit Yoga-Ausbildungen an, assistiert in Massage-Schulen und behandelt Sportler genauso wie Krebspatienten.
Die Bedeutung der Atmung
In seinen Trainingseinheiten will er den Waldbüttelbrunner B-Junioren vor allem die Bedeutung der Atmung nahe bringen. “Wir nutzen eine Atemtechnik, um in den Fokus zu kommen”, erklärt er. In seiner Auffassung entscheidet in einem Spiel nicht – oder zumindest nicht alleine – die körperliche Verfassung über Sieg oder Niederlage. Vielmehr komme es darauf an, Reserven zu mobilisieren und sich selbst zu motivieren. Dies könne auch über einen bewussten Umgang mit der Atmung gelingen: “Insgesamt ist es das Ziel, die körperlichen Fähigkeiten durch neue Stimulierungen zu verbessern, gleichzeitig mehr Kontrolle über Situationen zu bekommen (court vision), Verletzungsprophylaxe zu betreiben und natürlich Spaß zu haben.”
Für Lennard Karl ist das Training mit Till Heeg auf jeden Fall etwas Besonderes. Der 15-jährige Realschüler hat “so etwas noch nie gemacht”, findet aber durchaus gefallen an den Übungen. Schön ist für ihn auch, dass er beim Zoom-Meeting auch die Mannschaftskameraden mal zu Gesicht bekommt, die seit Wochen getrennt voneinander trainieren. Bis sie wieder gemeinsam in der Halle stehen, wird wohl noch etwas Zeit vergehen – fit sein für ihr großes Ziel Bayernliga dürften sie danach aber allemal sein.
Bericht: Carolin Münzel: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/von-barcelona-aus-handballer-trainieren-per-videokonferenz;art736,10445008